Nach langen Debatten wird nun mit der Beratung der WeinVO im Bundesrat eine der tiefgreifendsten Reformen des deutschen Weinrechts seit 1971 abgeschlossen. Ein notwendiger und richtiger erster Schritt. Sicher wäre aus unserer Sicht eine wesentliche konsequentere und umfangreichere Herkunftsprofilierung erforderlich gewesen, um schnell und nachhaltig erfolgreich zu sein. Dennoch stimmen wir den Grundsätzen der Reform zu. Lange hat man gerungen, damit die Interessen aller Beteiligten in einem Kompromiss zusammenfinden. Gerade deshalb sollte Beschlossenes nicht in Frage gestellt und gefährdet werden. In der abschließenden Beratung sind es zwei maßgebliche Punkte, die für den Erfolg der Reform und dem Schutz des bisher Erreichten für uns unabdingbar sind.
Die Großlage muss von der Einzellage unterscheidbar sein – eindeutig und für jeden
Um den Konsumenten eine nachhaltige Profilierung zu vermitteln, ist es unabdingbar, dass Lagennamen ausschließlich für die beste Kategorie verwendet werden und von allen anderen Herkunftsebenen eindeutig zu unterscheiden sind. Deshalb ist es richtig, dass bei der Bezeichnung von Großlagen, die teilweise so groß sind wie drei Anbaugebiete, stets und leicht erkennbar der Zusatz Region auf allen Etiketten verwandt wird. Die im Entwurf vorgesehenen 1,2mm sind hier eindeutig zu klein und kaum lesbar. Wir plädieren dafür, dass dies in gleicher Schrift, Farbe und Größe, mindestens jedoch 2/3 der Größe des Lagennamens (Einstimmiger Kompromiss des DWV) erfolgen muss.
Der Vorschlag gar, dies nur auf dem Rückenetikett machen zu müssen, wäre eine Katastrophe für den deutschen Spitzenwein. Die großen Lagennamen des deutschen Weines, wie Kirchenstück, Scharzhofberg, Ungeheuer, Marcobrunn, Pulvermächer, Stein oder Winklerberg werden mittlerweile im allgemeinen Sprachgebrauch, aber auch in der Etikettierung auf dem Frontetikett fast immer ohne Ort genannt, wie die Grand Crus aus Frankreich. Also nicht mehr Forster Ungeheuer oder Ihringer Winklerberg. Auch wenn der Ort jetzt wieder hinzugefügt werden muss, werden die Verbraucher lange Zeit benötigen, um dies zu verinnerlichen.
Wenn nun Großlagen auf dem Vorderetikett nur mit dem Namen der Großlage ohne den Begriff Region bzw. diesen in winziger Schrift bezeichnet werden, ist das eine Verbrauchertäuschung. Steht also ein Hofstück (Großlage mit 1600ha) für 2,50-5€ neben einem berühmten und gesuchten Kirchenstück (Einzellage mit 3ha für 30-100€) ist das weder unterscheidbar noch hinnehmbar. Verbraucher werden in die Irre geführt und der faire Wettbewerb unter den Erzeugern wird ausgehebelt.
Wenn Großes Gewächs, dann nur mit strengstem Herkunftsbezug
Dieselbe Vernunft in Sachen Herkunftsbezug erwarten wir beim Thema Großes Gewächs. Zu oft hat man in der Vergangenheit das Phänomen in Deutschland erlebt, dass Begriffe mit einer Bedeutung im Markt so lange ausgenutzt werden, bis sie keinen Wert mehr haben. Die Spätleseist hierfür wohl eines der prominentesten Beispiele. Es ist dringlich, eine Lösung für das Große Gewächs zu finden, insbesondere um die willkürliche Selbstauszeichnung einzelner Betriebe im Alleingang, selbst für einfachste Weine, zu vermeiden. Dringlich ist aber auch, die geleistete Vorarbeit keinesfalls zu gefährden. Der Begriff wurde mit viel Mühe, Zeit und Geld für deutsche Spitzenweine aus allerbesten Lagen etabliert, maßgeblich durch uns. VDP.GROSSES GEWÄCHS® hat sich als der trockene Topwein an der Spitze der Herkunftspyramide in Deutschland etabliert und einen großen Anteil zum wiedergewonnenen Ansehen des deutschen Weins in der Welt beigetragen.
Der jetzt vorgelegte Entwurf zur Aufnahme der Begriffe Großes Gewächs und Erstes Gewächs in die WeinVO orientiert sich eins zu eins an den Kriterien der gescheiterten, an gleicher Stelle verankerten, Selection. Nun schlichtweg ein gescheitertes Konzept mit den gleichen Parametern auf einen erfolgreichen Namen umzutaufen, ist untauglich. Nicht nur das, es ist sogar schädlich und der Misserfolg ist vorprogrammiert. Der maßgebliche Unterschied ist der Herkunftsbezug. Hier muss zunächst noch eine Lösung gefunden werden. Vielversprechende Gespräche hierzu sind im DWV im Gange, mit dem Ziel, noch im Jahr 2021 einen Konsens herbeizuführen. Jede Region, die diesen Begriff in ihrer Schutzgemeinschaft einführen möchte, muss sich mit der Wertigkeit ihrer Weinberge auseinandersetzen. Ein konkreter Herkunftsbezug und eine nachhaltige Erzeugung von Spitzenweinen müssen hierbei eine tragende Rolle spielen.
Deshalb können wir nur appellieren, hier keinen Schnellschuss zu begehen, der am Ende niemanden weiterbringt. Wenn sich der deutsche Weinbau entscheidet, ein Grand Cru an seiner Spitze aufzubauen, sollte er sorgfältig damit umgehen: mit Präzision und mit absolutem Herkunftsbezug – für eine langfristige, nachhaltige Spitzenerzeugung, die das Image des deutschen Weines positiv beeinflusst und so auf alle Weine ausstrahlt.
Warum noch immer an Teile eines alten Systems festhalten, die in die wirtschaftliche Katastrophe führen?
Immerhin sind die Warnzeichen alarmierend: Der Inlandsanteil deutscher Weine liegt bei etwa 40%. Der Export ist massiv eingebrochen. Der Fassweinpreis hat sich in den vergangenen 25 Jahren kaum verändert. Ebenso ist es mit dem Auszahlungspreis der Genossenschaften. Die Möglichkeiten, durch Flächenwachstum hier Rationalisierungseinsparungen zu erreichen, sind nahezu aufgebraucht. Verändert man nicht gemeinsam etwas an diesen Zuständen, werden viele Weinbaubetriebe in eine existenzbedrohende Schieflage geraten und das nationale und internationale Ansehen deutscher Weine damit ebenso.
Es darf keinesfalls riskiert werden, dass die von allen Beteiligten hart erarbeitete Reform in letzter Sekunde so verwässert wird, dass sie zwangsläufig zum Misserfolg führt. Ernsthafte Alternativen wurden nie vorgeschlagen, stattdessen lediglich ein „weiter so“. Deshalb bedarf es nun eines klaren Schrittes: vorwärtsgerichtet und ohne hunderte Ausnahmen. Für ein scharfes Profil des deutschen Weins und gegen einen völlig unverständlichen Begriffsdschungel für den Verbraucher.
Zweifellos geht mit einer Fokussierung auch immer ein Verzicht einher. Und Verzicht erfordert Mut. Durchaus ist uns das bewusst, immerhin haben wir selbst vor mehr als zwanzig Jahren diesen Schritt gewagt. Heute sind wir froh, diesen steinigen Weg gegangen zu sein. Lassen Sie uns das in einigen Jahren ebenfalls sein, wenn wir auf die Reform zurückblicken. Eines ist sicher: Verändern wir nicht konsequent, wird sich die bisherige negative Entwicklung fortsetzen.