Es war Donnerstag, der 6. März 1930, als die Bewohner der Kleinstadt Springfield im US-amerikanischen Bundesstaat Massachusetts zum ersten Mal verpackte Lebensmittel in tiefgekühlter Form kaufen konnten.
Dies war die Geburtsstunde der Tiefkühlkost. Angeboten wurden Gemüse, Obst und Fisch. Da es damals noch keine klassischen Tiefkühltruhen oder -schränke gab, bediente man sich den bereits vorhandenen Eiskremtruhen und nutzte sie im Handel als Verkaufsgeräte. 80 Jahre später ist das breite Angebot aus den Tiefkühltruhen des Lebensmittelhandels in der täglichen Ernährung gar nicht mehr wegzudenken. „Ich bin beeindruckt von dieser Branche, die rund um eine seinerzeit neue Technologie kontinuierlich gewachsen ist und die Verbrauchsgewohnheiten Schritt für Schritt umgekrempelt hat“, bemerkt Susanne Hofmann, seit Anfang dieses Jahres Geschäftsführerin des Deutschen Tiefkühlinstituts, über die 80-jährige Erfolgsgeschichte der Tiefkühlkost. Als Erfinder der Tiefkühlkost gilt der Amerikaner Clarence Birdseye, seines Zeichens Meeresbiologe. Auf seinen Forschungsreisen in den Jahren 1915 bis 1922 nach Labrador in Neufundland, durfte er immer wieder miterleben, wie die Eskimos die Kälte und ihren eisigen Lebensraum nutzten, um ihr Hauptnahrungsmittel – den Fisch – lange haltbar zu machen: Sie froren ihn ein.
Dazu hängten sie ihren frischen Fang oder die gerade erlegte Beute in den eisigen, bis zu minus 45 Grad Celsius kalten Wind. Binnen kürzester Zeit waren Fisch und Fleisch tiefgefroren. Die so haltbar gemachten Lebensmittel hielten den ganzen Winter über und schmeckten nach dem Auftauen auch nach Wochen und Monaten noch genauso frisch wie gerade gefangen oder erlegt.
Die Idee, Lebensmittel ohne großen Geschmacks- oder Qualitätsverlust für einen längeren Zeitraum schonend zu konservieren faszinierte Birdseye sehr. Nun galt es eine Möglichkeit zu entwickeln, künstliche Kälte zu erzeugen, die – genau wie die natürliche, arktische Kälte in der kanadischen Provinz Neufundland – Lebensmittel schnell tiefkühlt. Das ihm dazu zur Verfügung stehende Equipment war mehr als dürftig und bestand aus sieben Dollar, Eis, Salz und einem Ventilator mit Elektroantrieb. Aber der Erfindungsreichtum des Naturwissenschaftlers Birdseye kannte keine Grenzen und so entwickelte er die erste Schockgefrieranlage, die es ihm ermöglichte, erstmals ganze Fische, Fischfilets, Gemüse, Fleisch und andere Lebensmittel innerhalb kürzester Zeit gleichzeitig und schonend tiefzukühlen.
Der Pionier der 18-Grad-Celsius-Theorie
Erfindungen von solch immenser Größe und Wichtigkeit sind nicht nur für einen alleine bestimmt. Das dachte sich auch Clarence Birdseye und sorgte dafür, dass die neue Angebotsform über den Lebensmittelhandel in die Hände der Verbraucher gelangte.
Auch die heute noch allgemeingültige, empfohlene Lager-temperatur von Tiefkühlkost – minus 18 Grad Celsius – beruht auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen von Birdseye. Der Meeresbiologe fand heraus, dass sich die Lebensmittel, wenn sie erst einmal tiefgekühlt waren, bestens bei einer Temperatur von 0 Grad Fahrenheit aufbewahren ließen. Ab 0 Grad Fahrenheit kommen die Zellaktivitäten komplett zum Stillstand, die sonst zum Verderb führen würden. Die Temperaturangabe in Fahrenheit wurde weltweit übernommen und in Grad Celsius umgerechnet: 0 Grad Fahrenheit entsprechen genau minus 18 Grad Celsius.
Tiefgekühlte Lebensmittel kommen nach Deutschland
Ein paar Jahre brauchte die neue Angebotsform noch, um den Sprung über den großen Teich zu schaffen. Anlässlich der ANUGA 1955, der Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung in Köln, fiel der Startschuss für die Tiefkühlkost in Deutschland. Dort stellten sechs Tiefkühlkostproduzenten ihre Produkte in Haushaltspackungen den Vertretern des Handels vor. Eine bessere Plattform als eine internationale Ernährungsmesse konnten sie dafür – zum damaligen Zeitpunkt – kaum finden.
Bereits ein Jahr später startete im Rheinland der so genannte „Köln-Bonner-Truhentest“. In der Rhein-Region wurden 400 Truhen aufgestellt, in denen mutige Lebensmittelhändler ihren Kunden erstmals tiefgekühlte Waren anbieten konnten – mit durchschlagendem Erfolg.
Lag der Pro-Kopf-Verbrauch 1960 noch bei durchschnittlich 400 Gramm, so hat sich die Lust auf das Lebensmittelangebot aus der Kälte fast verhundertfacht: Der aktuelle Pro-Kopf-Verbrauch der Deutschen an Tiefkühlkost liegt bei sage und schreibe 39 Kilogramm (2008).