Le Havre am Ärmelkanal hat es schon immer nicht leicht gehabt. Im Jahre 1517 auf Anregung des Admirals Bonnivet als Kriegshafen erbaut, umgibt die Stadt an der Mündung der Seine schon seit jeher ein von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägtes Bild. Im zweiten Weltkrieg dann, fanden die Zerstörungen mit der Wucht der damaligen Zeit ihren Höhepunkt, welches eine fast vollständige Bombardierung der Innenstadt zur Folge hatte. Das ist mithin schade und in so vielen anderen Städten Europas, hat es der Wiederaufbau nicht ähnlich gut geschafft.
Auguste Perret entwirft UNESCO würdigen Stadtkern am Reißbrett
Denn man hat das Übel nach dem zweiten Weltkrieg am Schopfe gepackt in der doch so sympathischen, gefühlt immer windigen Stadt. Nach dem Ende des Krieges begannen die Franzosen den Aufbau hier systematisch und planvoll, unter den wachsam lenkenden Augen des Star-Architekten Auguste Perret, mit einem starken Team von 60 Architekten im Zeitraum von 1945 bis 1954. In dieser Zeit wurde der für jede Stadt bedeutsame Kern wiederaufgebaut. Der Stadtkern mit einer charakteristischen farbigen Betonarchitektur, ist eines von zwei Stadtensemble des 20. Jahrhunderts, in der Liste des UNESCO-Welterbes – neben Brasília.
Auf den ersten Blick mag der unkundige Betrachter durchaus meinen, dass jene Architektur überhaupt nicht spektakulär ist. Die Details und die Linienführung, sowie der tatsächlich überaus clever geschaffene Wohnraum offenbaren jedoch die wahre Genialität Perrets, von der sich die Architekten auch heute noch eine gehörige Scheibe abschneiden können. Betonbauten müssen nicht per se hässlich sein, können die Baukosten aber um ein Vielfaches reduzieren. Von den 50er Jahren bis heute sind alle Wohnhäuser und das Rathaus bestens erhalten und wohl glücklich schätzen kann sich der, der eine solch sympathische Wohnung sein Eigen nennen kann.
Tipp: Musterwohnung der Tourismus-Zentrale besichtigen
Für architektonisch Begeisterte steht in Le Havre eine Musterwohnung zur Ansicht, welche kostenlos besucht werden kann. Bei schlechtem Wetter ist das ein wirklich toller Tipp, denn die Wohnung ist mit den Möbeln der damaligen Zeit ausgestattet und ein wirkliche Kleinod finessenreicher Architektur.
Strand & Hafen – Bei Sonnenschein die beste Wahl
Le Havre hat einen steinigen aber überaus besuchenswerten Stadtstrand, der gut mit der Tram erreichbar ist. Dennoch, wer direkt im Stadtzentrum ein Hotelzimmer gefunden hat, kann eigentlich alles Sehenswerte fußläufig erkunden – auch und gerade den Strand. Geschmückt mit vielen kleinen bunten „Ferien-Garagen“ und in ein sommerlich mediterranes Flair getaucht, gibt es fast nichts Angenehmeres als hier zu verweilen und die Aussicht bei einem kühlen Glas Weißwein zu genießen. Denn Le Havre ist eine der größten Hafenstädte in Frankreich und hier laufen die richtig „dicken Pötte“ fast stündlich in den Containerhafen ein. Wer die Perspektive vom Strand zum Wasser hin verlagern möchte, dem sei eine Hafenrundfahrt angeraten – übrigens auch bei schlechtem Wetter zum Zeitvertreib zu empfehlen. Im Sommer 2008 eröffnete im aufgegebenen Hafenbereich der Docks Vauban „Les Bains des Docks“, ein von Jean Nouvel entworfenes Erlebnisbad. Gleich daneben gelegen entsteht derzeit ein Einkaufszentrum und unweit davon ein neues Wohnviertel, das „Quartier Saint-Nicolas de l’Eure“.
Die Église Saint-Joseph – Die Reinform moderner Kirchenbaukunst
Gar nicht so weit vom Strand entfernt und schon von weithin sichtbar befindet sich ein weiteres Meisterwerk der reduzierten Betonbaukunst. Es ist die Église Saint-Joseph. Von außen und auf den ersten Blick eher enttäuschend anmutend, erschließt sich der wahre Charakter erst bei genauerem Auseinandersetzen mit dem Bauwerk. Perret ließ mit der St.-Josephs-Kirche ein äußerlich sehr schlichtes Bauwerk aus Stahlbeton errichten. Es hat eine quadratische Grundfläche von 40,6 m Seitenlänge. In seiner Mitte erhebt sich ein Turm mit einer Deckenhöhe von 84 m, mit dem darüber befindlichen Kreuz erreicht er eine Höhe von 107 m. Nur das Rathaus dürfte etwas höher sein. Das Besondere an der Kirche sind die von der Künstlerin Marguerite Huré gestalteten Glasfenster des Turms: 12.768 streng geometrisch angeordnete bunte Antikglasscheiben lassen Licht in das Innere der Kirche fallen und erfüllen den Raum je nach Sonnenstand immer wieder mit Leben. Gerade dieses Schauspiel und eine dezente Musik dazu, lässt einen magische Momente erleben. Die Kirche kann täglich zwischen 10 und 18 Uhr besichtigt werden – kostenlos.
Die Markthalle von Le Havre – Das Herz des genussvollen Le Havre
Nicht so weit von der Église Saint-Joseph entfernt, befindet sich die Markthalle der Hafenstadt. Nun ist sie nicht ganz so groß wie in anderen Städten, geizt jedoch auch nicht mit einer für Frankreich einladenden Warenvielfalt. Fleisch und Fisch, viel Gemüse und Obst, freilich auch viel Wein und dazu perfekt mundender Käse – ein Paradies für den Feinschmecker. Mein Tipp: Die lokal produzierten Fischsuppen & Konserven unbedingt probieren. Sie sind nicht ganz preiswert – aber göttlich. Die von mir probierte Hummersuppe war von ganz ausgezeichneter Qualität. (um 10 Euro pro Glas)
„Le Volcan“ – Bibliothek und Kulturzentrum
Von 1972 bis 1978 wurde von Oscar Niemeyer ein Kulturzentrum in der Nähe des Marktes errichtet, das Maison de la Culture du Havre, das wegen seiner Form eines abgeschnittenen Vulkankegels auch Le Volcan genannt wird. Es beherbergt eine Bibliothek, ein Restaurant und Theater, wobei die Bibliothek auch zahlreiche Kochbücher bereithält und eine ausgezeichnete Alternative bei Regen darstellt.
Die Cathédrale Notre Dame & der Fischmarkt am Morgen
Die Cathédrale Notre Dame hat wie ein Wunder – teilweise – den Bombardements des zweiten Weltkrieges standgehalten und seine schöne Architektur des 15. Jahrhunderts wurde bis in die siebziger Jahre weitgehend instandgesetzt. Sie fügt sich in ein ebenfalls von Perret gestaltetes Karree ein, umgeben von einigen sympathischen kleinen Geschäften. Erinnerungswürdig ist hier ein Fischladen, der allerbestes Meeresgetier an den Gourmet bringt. Etwas weiter dann, befindet sich einen Taubenschlag vom Hafen entfernt auch schon der kleine Fischmarkt. Kommen Sie zeitig und möglichst noch vor dem Mittagessen, um die Auslagen zu bestaunen.
24 Stunden in Le Havre: Ein toller Tipp für eine kurze Städtereise
Wer eine Städtereise plant, der liegt mit Le Havre keinesfalls falsch. Die Stadt lohnt sich unter verschiedenen Aspekten. Die Anbindung ist großartig, von der Metropole Paris beispielsweise, gibt es gute Zugverbindungen die etwa 2 Stunden benötigen, um Sie nach Le Havre zu befördern. Mit dem eigenen Auto ist es freilich noch etwas kürzer. Le Havre ist zweifelsohne eine Sommerstadt, in der das typische französische Flair nicht zu kurz kommt, wenn denn das Wetter mitspielt. Denn durch seine Lage ist es nicht immer beständig und doch ziemlich häufig einmal von Regen durchsetzt.
Wo wohnt man in Le Havre ?
Die besseren Hotels sind leider etwas außerhalb des Stadtkerns, wer darauf nicht so viel Wert legt, der ist mit dem kleinen Best Western oder dem Oscar Hotel – vis-à-vis des futuristischen Vulkans von Niemeyer auf normalem touristischem Standard. Zweiteres wird von einem sympathischen Australier betrieben, mit dem sich ein Gespräch über Gott und die Welt lohnt.
Dieser Artikel wurde durch Atout France unterstützt. Die Bildrecherche sowie der vorliegende Text spiegelt meine persönlichen Eindrücke von Le Havre wider.